Projektberatung

Rohrmeisterei-Genuss-Schein

Die Rohrmeisterei in Schwerte ist ein Kulturzentrum, das ohne öffentliche Subventionen von der gemeinnützigen Bürgerstiftung Rohrmeisterei betrieben wird. Das Gebäude ist ein Industriedenkmal und besteht aus drei Hallenbereichen, von denen zwei für Veranstaltungen und einer für die Gastronomie der Stiftung genutzt werden.

Die Bürgerstiftung stellt die Säle der Rohrmeisterei für kulturell-gemeinnützige Veranstalter mietfrei zur Verfügung, führt eigene kulturelle Veranstaltungen und Projekte durch und verwirklicht auf vielfältige Weise ihre Satzungszwecke Kunst und Kultur, Erziehung, Volks-und Berufsbildung, Jugend- und Altenhilfe, Flüchtlingsintegration, Heimatpflege und Heimatkunde sowie traditionelles Brauchtum. Dieser gemeinnützige Bereich der Stiftungstätigkeit ist defizitär. Er wird durch Überschüsse der Gastronomie, die die Bürgerstiftung als Wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb betreibt, erst ermöglicht. Damit ist die Bürgerstiftung Rohrmeisterei ein bundesweit einzigartiges Modellprojekt. Jedoch mit nur geringem Spielraum für Rücklagenbildung und Investitionen zur Sicherung des wirtschaftlichen Fundamentes oder um neue Projekte anzuschieben.

Die Finanzierung von Zukunftsinvestitionen erfordert immer das Nachdenken über neue Wege – und die Gewinnung von „Investoren in Genuss und Kultur“.

Als Alternative zur klassischen Banken-Fremdfinanzierung hat die Bürgerstiftung den „Rohrmeisterei-Genuss-Schein“ entwickelt. Formaljuristisch handelt es sich hierbei um Darlehensverträge mit Privatpersonen oder auch Unternehmen, mit denen die Überlassung eines Geldbetrages für eine bestimmte Laufzeit vereinbart wird. Der Darlehensgeber bzw. der Genuss-Schein-Inhaber erhält im Gegenzug eine in diesen Tagen fast unschlagbare Rendite: 8 % pro Jahr auf das eingesetzte Kapital. Die Zinsen werden jedoch nicht in Geld sondern als Wertgutschein „ausgezahlt“, den der Genuss-Schein-Inhaber in der Gastronomie, bei Veranstaltungen oder durch Erwerb der

im Rohrmeisterei-Shop angebotenen Produkte (vor allem Wein, Schokolade und Schwerter Senf) einlösen kann. Er erhält also Genuss-Zinsen. Der Genuss-Schein-Inhaber profitiert von der hohen Rendite, die Stiftung hat lediglich in Höhe des Wareneinsatzes, der zurzeit bei rund 2,7 % liegt, sogenannten Zinsaufwand.

Die Vereinbarung mit den Genuss-Schein-Inhabern sieht eine Mindestvertragslaufzeitvon fünf Jahren vor. Danach kann sie mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt werden, wobei sich die Vereinbarung automatisch jeweils um ein weiteres Jahr verlängert, wenn eine fristgerechte Kündigung nicht erfolgt. Die Rückzahlung des Genuss-Kapitals erfolgt nach Wahl des Kapitalgebers in bar oder ebenfalls durch Übersendung eines Genuss-Gutscheines über Leistungen der Stiftung.

Der Betrag, der mindestens investiert werden muss, beläuft sich auf 2.500 EUR. Nach oben sind keine Grenzen gesetzt. Die Rendite ist fix, eine Beteiligung am Gewinn oder am Verlust der Stiftung wird ausdrücklich ausgeschlossen. Zu beachten ist, dass die Genuss-Zinsen beim GenussSchein-Inhaber - wie andere Zinsen auch - der Kapitalertragsteuer unterliegen.

Weiterhin wird in der Vereinbarung ein qualifizierter Rangrücktritt vereinbart. Bei einem solchen qualifiziert nachrangigen Darlehen trägt der Darlehensgeber ein (mit-) unternehmerisches Risiko, das höher ist als das Risiko eines normalen Fremdkapitalgebers. Das heißt zunächst, dass die Rückzahlung der zur Verfügung gestellten Gelder im Insolvenzfall erst nach der Befriedigung sämtlicher anderer Gläubiger der Stiftung erfolgen kann, die Forderung also hinter die in § 39  Absatz 1 Nr. 1 bis 5 der Insolvenzordnung (InsO) genannten Forderungen zurücktritt. Das Darlehenskapital einschließlich der Zinsen kann zudem dann nicht zurückgefordert werden, wenn die Rückforderung zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Insolvenzgrund herbeiführen würde, beispielsweise weil alle Genuss-Schein-Inhaber unangekündigt und gleichzeitig ihr Darlehenskapital zurück fordern. Die Vereinbarung eines solchen qualifizierten Rangrücktrittes ist erforderlich, damit die Ausgabe der Genuss-Scheine nicht der Erlaubnispflicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) gemäß § 1 Absatz 1 Nr. 1 des Gesetzes über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz – KWG) unterliegt. Ohne qualifizierten Rangrücktritt würde eine Erlaubnispflicht nach § 32 Absatz 1 Satz 1 KWG nur dann nicht bestehen, wenn die Ausgabe von GenussScheinen lediglich in einem Umfang betrieben würde, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert. Die BaFin geht in ständiger Verwaltungspraxis von dem Erfordernis eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs und einer daraus resultierenden Erlaubnispflicht aus, wenn der Einlagenbestand bei mehr als fünf Einzelanlagen die Summe von 12.500 EUR überschreitet oder unabhängig von der Summe des Einlagenbestands mehr als 25 Einzeleinlagen geleistet werden.

Die erste Tranche von Genuss-Scheinen wurde bei der Bürgerstiftung Rohrmeisterei ausgegeben für den Umbau einer ungenutzten alten Gastronomie-Küche, die nur noch sporadisch als Lagerund Abstellraum genutzt wird, in ein sogenanntes „Genuss-Kabinett“. Stiftern, Spendern und Stammgästen wurden umfassende Informationen zur Umbaumaßnahme einschließlich einer konkreten Kostenschätzung zur Verfügung gestellt. Bereits in den folgenden zwei Monaten erhielt die Stiftung 11 Zusagen und ein Genuss-Schein-Kapital in Höhe von 105.000 EUR.

Die Genuss-Schein-Inhaber haben neben dem Genuss ihrer Zinsen die Möglichkeit, einmal im Jahr kostenlos an einem Sonderevent der Bürgerstiftung teilzunehmen und das Genuss-Kabinett exklusiv zu nutzen. Sie sehen und erleben ganz konkret, in welchen Vermögensgegenstand das Genuss-Schein-Kapital investiert wird. Sie geben nicht einfach Geld, um Rendite zu erhalten, sondern verhelfen der Bürgerstiftung zu mehr Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit.

Auch wenn das durch die Ausgabe von Genuss-Scheinen finanzierte Genuss-Kabinett unmittelbar dem Gastronomiebetrieb und damit dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zugeordnet wird, kommen die Mehrerträge, die durch das Kabinett erwirtschaftet werden, den gemeinnützigen Zwecken der Stiftung zugute. Denn das Defizit des gemeinnützigen Betriebsteils wird durch die Gastronomie quersubventioniert. Und das wissen auch die Genuss-Schein-Inhaber.

Das Modell bietet die Möglichkeit, bei Investitionen bankenunabhängig agieren zu können. Zudem stärkt es die Bindung von Stiftern, Spendern und Stammgästen, die sich mit „ihrem“ Projekt persönlich identifizieren können.

Textbeispiele für Informationsmaterial, Anschreiben und Genuss-Schein-Verträge stellen wir gern zur Verfügung.

 

Schwerte, im März 2017

Tobias Bäcker
Geschäftsführender Vorstand

Michèle Demant
Syndikusrechtsanwältin, Vorstandsbevollmächtigte Recht und Finanzen
Bürgerstiftung Rohrmeisterei

Tobias Bäcker

Informationen

Ihre Ansprechpartner:
Tobias Bäcker

Tel. 02304-2013001
E-Mail: stiftung@rohrmeisterei-schwerte.de

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